J-Rad
Das Sesselrad von Paul Jaray, Zeppelin-Konstrukteur und Erfinder der Stromlinienform für Autos
Paul Jaray (1889-1974) wollte mit seinem J-Rad die Theorien der Aerodynamik auch für den Fahrradbau nutzbar machen. Ziel des Flugzeug- und Autoingenieurs war, den Luftwiderstand zu minimieren. Die Hesperus-Werke in Stuttgart stellten 1922/23 nach den Plänen von Paul Jaray ungefähr 2000 Sesselräder her, in drei verschiedenen Versionen. Erfolgreich waren sie vor allem in Holland.
Der Fahrer sitzt bequem und nah über dem Boden auf einem 4 kg schweren, ursprünglich mit Seegras gepolsterten Sattel und tritt nach vorn «in die Seile». Neben der komfortablen Haltung überzeugte auch der geniale Antrieb: Die Trethebel-Enden wirken über Seilzüge auf Trommeln beidseits des Hinterrades. Mit einem dritten Seilzug sind die Trethebel über eine horizontale Umlenkrolle am tiefsten Rahmenpunkt zwangsgekoppelt.
Laut Presseberichten seien die Fusshebel viel gemächlicher, aber wegen des Rückhalts an der Sitzlehne doch viel kräftiger zu treten als Pedalkurbeln, und die drei Fussrasten bedeuteten Übersetzungsstufen von 66:100:136.
Einen Vergleichstest zwischen Herrenrad und J-Rad veröffentlichte 1922 der Arzt A. Gmelin: Obwohl das u.a. mit Arzttasche beladene J-Rad 6 kg schwerer war als das ebenso beladene Herrenrad mit F&S-Viergangnabe, mass er bei starker Steigung auf dem J-Rad einen 10% langsameren Puls.
Es bewältigte noch Steigungen von 13% ohne übermässige Anstrengung und 15–16% an Gmelins Leistungsgrenze, während das Herrenrad im 1. Gang bei 10% die Leistungsgrenze erreichte.
1923 kam das Aus, wegen tödlicher Unfälle infolge Materialfehler. Jaray notierte dazu in einem Lebenslauf: "Sonstige Neukonstruktionen auf dem Gebiet des Verkehrswesens, u.a. des J-Rades, das in vielen tausend Exemplaren gebaut wurde und sich, vor allem in Holland, gut bewährt hat, dessen Fabrikation aber infolge unvernünftiger Sparmassnahmen (Einkauf minderwertiger Rohmaterialien...) 1923 wieder eingestellt wurde."
Textquelle: Paul Jaray, Vom Zeppelin zum J-Rad, von Hans-Erhard Lessing